Terroranschläge in Kiel – Polizei übt den Ernstfall mit 1500 Teilnehmern
Die Zahl der Einsatzkräfte, die am Donnerstag an der Anti-Terror-Übung in Kiel teilgenommen hat ist gewaltig, 1500 Polizisten, Feuerwehrmänner, Kräfte von Rettungsdiensten und Darsteller haben an der größten Übung, die es je in Schleswig-Holstein gab teilgenommen. Monatelang wurden die fiktiven Terroranschläge auf Ziele mitten in der Landeshauptstadt vorbereitet. Neben hunderten Einsatzkräften aus Kiel und dem restlichen Schleswig-Holstein folgten auch Spezialeinheiten aus sieben anderen Bundesländern der Einladung teilzunehmen. Insbesondere ging es um die Zusammenarbeit der Sondereinsatzkommandos mehrerer Bundesländer und dem bewältigen von diesen alles andere als alltäglichen Terrorlagen, sowie dem üben der Zusammenarbeit von Polizei und Rettungskräften in schwierigen und unsicheren Lagen.
Szenario 1 – Terroristen stürmen Empfang von britischem Konsul
Alles begann am Donnerstag um 9.21 Uhr am Flughafen Kiel-Holtenau. Drei bewaffnete Männer stürmen den Empfang des britischen Konsuls Jack Petterson, schießen um sich, werfen eine Handgranate. Verletzte und Tote liegen am Boden, schreien um Hilfe. Erste Notrufe gehen bei der Polizei in Kiel unter 110 ein. „Die Übung soll so realitätsnah wie möglich ablaufen“, erklärt Polizeisprecher Stefan Muhtz, „deshalb dauert es jetzt auch erst einmal bis die ersten Einsatzkräfte den Flughafen erreichen“. Tatsächlich vergehen nach dem Überfall und der anschließenden Flucht der Terroristen viele Minuten bis im Hintergrund, auf der anderen Seite des Nord-Ostsee-Kanals die ersten Sirenen der Einsatzfahrzeuge zu hören sind. Bei so einer Lage fährt keine Streifenwagenbesatzung alleine zum Einsatzort, ist am Notruf von Schüssen und bewaffneten Tätern die Rede, so werden mehrere Einsatzwagen zusammengezogen um dann gemeinsam die Lage zu erkunden.
Mehrere Streifenwagen der Kieler Polizei treffen am Einsatzort ein. „Im Ernstfall wäre dies genau so, die Streifenbeamten der Polizei sind in der Regel zuerst vor Ort und sondieren die Lage“, so Muhtz. Für die Medienvertreter und Beobachter der Übung nicht zu sehen, fordern die eingesetzten Polizisten nach ihrem Eintreffen umgehend Unterstützung von Spezialkräften an. Sondereinsatzkommandos werden angefordert, da die Lage unübersichtlich, chaotisch und nicht als sicher eingestuft wird.
SEK Kräfte sichern das Gelände und stürmen
Vor dem Flughafen gehen Einsatzkräfte von Feuerwehr und Rettungsdienst in Bereitstellung. Schwer bewaffnete Kräfte des Sondereinsatzkommandos stürmen anschließend das Restaurant des Flughafens und umstellen das Terminalgebäude.
„So lange das Gelände nicht gesichert ist und von bewaffneten Angreifern ausgegangen werden muss, die sich versteckt oder verschanzt haben, können keine Rettungskräfte zu den Verletzten gelassen werden“, so Muhtz, „speziell ausgebildete Kräfte der Sondereinsatzkommandos übernehmen in diesem Fall die Erstversorgung.“ Jeder Raum und jedes Gebäude im direkten Umfeld werden von den Einsatzkräften der SEKs durchsucht.
Über dem Gelände des Flughafens kreist ein Polizeihubschrauber, beobachtet den Einsatz aus der Luft und leistet Unterstützung. Unmittelbar nach dem Angriff haben die drei Terroristen die Flucht ergriffen. Gespielt von Marinesoldaten aus Eckernförde flüchteten sie in Richtung des Gelände des Marinefliegergeschwaders. Kräfte des Sondereinsatzkommandos, geschützt von einem schweren Polizeipanzer, den die Landespolizei Schleswig-Holstein am Donnerstag extra vom Hersteller aus Österreich für diese Übung geliehen hat, folgten der Spur der Täter.
Terrorist sprengt sich und Linienbus in die Luft
Einer der drei Angreifer setzt nun im geplanten Szenario von der Gruppe ab und kapert einen Linienbus der Linie 501. Als der Busfahrer sich weigert den bewaffneten Angreifer zu fahren, wird dieser erschossen. Der Terrorist steuert den Bus unter die Holtenauer Hochbrücke und sprengt sich und den Bus anschließend in die Luft. Szenario Nummer zwei läuft an. Als die Notrufe unter 110 eingehen wird ein Großaufgebot an Einsatzkräften alarmiert. Im zweiten Szenario soll vor allem die Zusammenarbeit mit Feuerwehr und Rettungsdiensten geprobt werden. Fünf Tote und 15 teils schwer verletzte sind die Folge der Explosion. Eine sogenannte MANV-Lage, ein Massenanfall an Verletzten. Bevor die Rettungskräfte jedoch aktiv werden, muss auch hier zunächst das Gelände und vor allem der gesprengte Bus gesichert werden. Sondereinsatzkommandos, unterstützt von Einsatzkräften der Bereitschaftspolizei rücken an und stufen die Lage als äußerst brisant ein. Es muss von einer weiteren Sprengladung im Bus ausgegangen werden, die noch nicht explodiert war. Die Spezialkräfte bringen die Verletzten Businsassen daraufhin schnellstmöglich aus der Gefahrenzone zu einem rund 250 Meter entfernten Behandlungsplatz. Schwer bewaffnete Polizeikräfte sichern die gesamte Umgebung.
„Bei einem Massenanfall an Verletzten stufen wir die Patienten nach einem Ampelsystem ein“, berichtet Michael Corzillius, der stellvertretende Leiter des Kieler Rettungsdienstes, „die Patienten bekommen rote, gelbe oder grüne Karten, je nach schwere der Verletzung.“ Die Rettungskräfte sollen bei der Übung mit Verletzungen konfrontiert werden, die im täglichen Dienst sonst nicht auf sie zukommen. Nach einem Terroranschlag können abgerissene Arme und Beine und schwere Blutungen üblich sein, während der Übung wurde deshalb auch der Umgang mit speziellem Material aus der Militärmedizin für derartigen Verletzungsmuster geübt.
Auch nach diesem Einsatzszenario ist der Tag des Terrors in der Landeshauptstadt noch nicht vorbei. Um 12.45 Uhr geht erneut ein Notruf bei der Polizei ein. Ein Verlagsgebäude in Kiel Mettenhof wurde von fünf bewaffneten Angreifern gestürmt. Vor dem Gebäude soll ein Mann liegen, angeschossen, aus dem Gebäude sind Schüsse zu hören. Streifenwagenbesatzungen und Kräfte der Bereitschaftspolizei treffen Minuten nach dem Notruf am Einsatzort ein. Vorsichtig und mit Maschinenpistolen, Helm und teilweise Schutzschilden ausgerüstet, gehen sie vorsichtig in Richtung Verlagsgebäude. Als vier Beamte dem verletzten Mann zu Hilfe kommen wollen, stürmt ein Mann aus dem Gebäude auf die Beamten zu, Schüsse fallen, der Mann geht zu Boden. Ein mutmaßlicher Terrorist tritt aus dem Verlagsgebäude, eröffnet mit einem Schnellfeuergewehr das Feuer auf die Beamten. Die Einsatzkräfte ziehen sich zurück, fordern Sondereinsatzkommandos an und sichern die Umgebung.
Hier endet die Übung für die eingeladenen Medienvertreter. Das medienwirksame Schauspiel war kurz und nun vorbei, die eigentliche Übung begann jetzt, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die Terroristen, die sich zu einer Terrorzelle namens „Löwen des Kalifats“ bekannten, haben in dem Verlagsgebäude Geiseln genommen und haben sich in den vierten Stock zurückgezogen und dort verschanzt. Spezialeinsatzkommandos aus mehreren Bundesländern rücken an und nähern sich schwer bewaffnet dem Gebäude. Auch Kräfte der Bereitschaftspolizei sichern mit Waffen im Anschlag die Umgebung, behalten das Gebäude im Blick. Plötzlich geht ein Fenster im vierten Stock auf, ein vermummter Terrorist brüllt die Beamten an, eröffnet mit einem Gewehr das Feuer.
Im Laufe des Nachmittags verschaffen sich die SEK-Teams Zugang zu dem Gebäude, sichern Stockwerk für Stockwerk. Durch die Fenster sieht man die Beamten die Räume absuchen. Wie die Übung endet ist nicht bekannt, die Polizei äußerte sich zu dem Ende dieses Szenarios nicht. Während dieser Geiselnahme waren weitere Spezialeinsatzkräfte auf dem Gelände des MFG5 in Kiel Holtenau im Einsatz, sie hatten dort die beiden flüchtigen Terroristen vom Vormittag ausfindig gemacht, auch sie haben Geiseln genommen.