Rettungshundestaffel der Johanniter – Vierbeiner auf der Suche nach Verletzten und Vermissten
Sie heißen Kika, Leo, Alma, Bruno, Jente, Marla, Balu, Oskar, Amadeus, Tristan oder Alexa, die vierbeinigen Mitglieder der Johanniter Unfallhilfe im Kreis Schleswig-Flensburg. Immer dann, wenn Menschen vermisst werden oder verunfallte Personen schnell gefunden werden müssen, kann auf die Hilfe der Rettungshundestaffel zurückgegriffen werden. Die Nasen der Vierbeiner sind bei der Suche nach Personen in der Fläche oder auch in dicht bebautem Gebiet den Suchmannschaften der Rettungskräfte weit voraus.
Nach einer zwei- bis dreijährigen Ausbildung sind die Flächensuchhunde der Johanniter in der Lage innerhalb kürzester Zeit große Flächen oder Waldgebiete abzusuchen. „Ein Hund kann in der Fläche etwa 30-50 Helfer ersetzen und schafft es innerhalb von 20 Minuten bis zu 30.000 Quadratmeter abzusuchen“, berichtet Nicole Lehr, seit Januar 2018 Leiterin der Rettungshundestaffel. Somit liegt es auf der Hand, dass Polizei und Feuerwehr häufig auf die Dienste der ehrenamtlichen Zwei- und Vierbeiner zurückgreifen. Momentan besteht die Hundestaffel der Johanniter aus 22 Hundeführern mit 29 Hunden, sowie einem Helfer ohne Hund. „Es ist unser Ziel, dass die Staffel rund um die Uhr einsatzbereit ist“, so Staffelleiterin Nicole Lehr, die sich durchaus darüber im Klaren ist, dass dies ein hoch gestecktes Ziel ist, denn die Helfer werden nicht immer von ihren Arbeitgebern freigestellt und einen Verdienstausfall gibt es auch nicht. Ein klarer Nachteil gegenüber beispielsweise Kameraden der Freiwilligen Feuerwehren. Um dieses Ziel zu erreichen, stecken alle gemeinsam viel Energie in die Ausbildung und Akquise neuer Teams, um im Einsatzfall auf möglichst viele Hunde zurückgreifen zu können.
Im Falle eines Einsatzes wird die Leitung der Hundestaffel über die Leitstelle Nord in Harrislee oder direkt über die Polizei alarmiert. „Wir melden uns bei der Leitstelle, bestätigen den Eingang des Alarmes und erhalten dann Details über Einsatzart und Einsatzort. Wir arbeiten nur in den seltensten Fällen alleine. Meistens arbeiten wir mit befreundeten Staffeln, den örtlichen Feuerwehren und natürlich der Polizei zusammen“, berichtet Nicole Lehr.
Die Alarmierung der Staffelmitglieder erfolgt über RETT-ALARM auf dem Handy. In einer extra eingerichteten „Einsatzgruppe“ kommen in kurzer Zeit Rückmeldungen, wer sich an dem Einsatz beteiligen kann. Rund 40 Mal wurde die Staffel im Jahr 2017 zu Einsätzen alarmiert.
Je nach Einsatz und Lage vor Ort entscheidet der Einsatzleiter der Hundestaffel, welche Teams eingesetzt werden. Es wird bei der Ausbildung zwischen zwei Bereichen unterschieden, den Flächensuchhunden und den Mantrailern (Personenspürhunde). Die Flächensuchhunde durchstöbern mit halbhoher Nase das Suchgebiet nach menschlichem Geruch und Personen, die sich auffällig verhalten. Der Mantrailer hingegen bekommt einen Individualgeruch der Person, die er finden soll und nimmt dann die Spur (Trail) der Person auf. Eingesetzt werden die Hundeführer der Johanniter aus dem Kreis Schleswig-Flensburg nahezu in ganz Schleswig-Holstein.
Nicole Lehr engagiert sich seit 12 Jahren in der Hundestaffel der Johanniter. Die 46-jährige aus dem Kreis Rendsburg-Eckernförde nahm nach einem Infoabend an einem Probetraining teil und war seitdem von der ehrenamtlichen Arbeit in der Staffel gepackt. Wie für alle anderen in der Staffel ist es auch für Nicole Lehr nicht einfach nur eine ehrenamtliche Tätigkeit. „Die enge Zusammenarbeit und feste Bindung zum Hund in Kombination mit dem Gedanken Menschenleben zu retten und durch die Arbeit in der Staffel neue Freundschaften zu schließen, auf die man sich nicht nur im Einsatz verlassen kann, sind tolle Nebeneffekte.“
Die Kameraden der Johanniter Rettungshundestaffel haben in den vergangenen Jahren schon viel erlebt und gesehen. Hunderte Einsätze mit den Flächensuchhunden und Mantrailern liegen hinter ihnen und den weiteren ehrenamtlichen Hundeführern. Erinnern können sie sich noch an die meisten Fälle, hinter den Einsätzen stecken immer persönliche Schicksale, die oft auch traurig oder dramatisch enden. „Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir ein Einsatz auf der Nordseeinsel Amrum vor einigen Jahren“, erinnert sich Nicole Lehr, „ein 10-jähriger Junge wurde dort am Strand vermisst. Wir suchten stundenlang mit Flächensuchhunden und Mantrailern am Strand, in den Dünen und den Straßen der Insel, leider ohne Erfolg. Mit der letzten Fähre ging es zurück auf das Festland. Tage darauf wurde der Junge auf einem Spielplatz am Strand gefunden, er hatte ein großes Loch gegraben und wurde in diesem verschüttet.“
Neben tragischen und traurigen Einsätzen gibt es auch immer wieder Erfolge. Häufig können die Teams der Rettungshundestaffel vermisste Personen in kurzer Zeit finden. Abgängige und nicht selten demente Bewohner aus Pflegeheimen spüren die Hunde meist im erweiterten Umfeld auf.
Aktuell verfügt die Staffel über drei geprüfte Teams für die Flächensuche und zwei geprüfte Teams für das Mantrailing. „Wir haben im November ein „Rettungshundecasting“ veranstaltet. Hier konnten sich Hundeteams vorstellen, die sich für die Rettungshundearbeit interessieren. 7 Teams haben ihrer vierwöchige Probezeit durchlaufen.“ Im Anschluss fällt die Staffel gemeinsam die Entscheidung, ob es zu einer sechsmonatigen Anwärterschaft kommt. In dieser Zeit werden die Eignung des Hundes und des Hundeführers geprüft. „Ganz wichtig ist, neben der Eignung des Hundes, dass die Chemie zwischen den Hundeführern stimmt. Im Einsatz müssen wir uns zu 100% auf den anderen verlassen können und arbeiten eng zusammen“, erklärt Nicole Lehr.
In einem Eignungstest wird insbesondere nach übermäßig ängstlichem Verhalten und Aggressionen geschaut. Besonders letzteres führt zum Abbruch der Ausbildung. In der Regel dauert die Ausbildung zum Rettungshund zwei bis drei Jahre, im Anschluss folgt die Prüfung. Im Einsatz dürfen nur geprüfte Rettungshundeteams eingesetzt werden.
„Es verlangt von unseren Mitgliedern eine hohe Bereitschaft nicht nur Zeit, sondern auch eigene finanzielle Mittel einzusetzen. Da die Mitglieder weit in Schleswig-Holstein verteilt wohnen, von Kiel über Friedrichstadt bis nach Flensburg, werden viele Kilometer zu Einsätzen oder zum Training privat gefahren“, so Nicole Lehr. Für die ehrenamtlichen Hundeführer in der Johanniter Rettungshundestaffel des Kreises Schleswig-Flensburg stellt sich die Frage nach dem Sinn ihrer Tätigkeit jedoch zu keiner Zeit. Sie sind mit ihren Hunden gerne für in Not geratene Mitbürger da und werden auch in den nächsten Jahren ihre Freizeit für Trainingstage, Prüfungen und Einsätze opfern.
Bericht und Fotos: Benjamin Nolte