Reportage: Unterwegs mit der Bundespolizei
Aus dem Bundesgrenzschutz (BGS) wurde am 1. Juli 2005 die Bundespolizei. Nachdem im Zuge des Schengener Abkommens 1995 nahezu an allen Grenzen der Bundesrepublik die Personenkontrollen weggefallen sind, wurde der Bundesgrenzschutz knapp zehn Jahre danach im Zuge einer Reform umbenannt. Zwar gehört die Sicherheit in den Grenzbereichen, seien es Binnen- oder Seegrenzen, weiterhin zu den Aufgaben der neu gebildeten Bundespolizei, doch sind ihre Aufgaben weit vielfältiger als den meisten bewusst ist. Anders als die Landespolizei ist die Bundespolizei dem Bundesministerium des Inneren direkt unterstellt und somit nicht Sache der einzelnen Bundesländer. Seit 2005 nimmt die Bundespolizei umfangreiche und vielfältige sonderpolizeiliche Aufgaben wahr. Unter anderem befassen sich die Beamten der Bundespolizei mit der Komplexität des Aufenthaltsgesetzes (Stichworte Asyl, Schleusungen, unerlaubte Einreise/Aufenthalt), sie gehört dem Verbund der Küstenwache an, ist als Bahnpolizei tätig, ist mit ihren Hubschraubern in die Luftrettung eingebunden oder auf den deutschen Flughäfen mit Grenzkontrollen und Sicherheitsaufgaben beauftragt.
Der nördlichste Standort der Bundespolizei ist die Bundespolizeiinspektion Flensburg. Rund 250 Beamte verrichten, verteilt auf mehrere Dienststellen, hier ihren Dienst. Zwei von ihnen sind Frank Solterbeck (43) und Thomas Gehrmann (49), von den Kollegen liebevoll „Schlotti und Gerry“ genannt, die wir einen Tag lang begleitet haben. An diesem Morgen standen zuerst Kontrollen in den grenzüberschreitenden Zügen auf dem Dienstplan der beiden Bundespolizisten. Am Flensburger Bahnhof warteten Solterbeck und Gehrmann auf das Einfahren des ICE von Kopenhagen nach Berlin. Mit dabei an diesem Tag auch der Pressesprecher der Bundespolizeiinspektion Flensburg, Hanspeter Schwartz. „Unser Augenmerk bei den Kontrollen in den Zügen der Bahn liegt auf auffälligen und alleinstehenden Gepäckstücken, alleinreisenden Personen, insbesondere auch auf Kindern und Jugendlichen, die eventuell von zu Hause ausgerissen sind“, berichtet Schwartz. „Auch führen wir Hohlraumkontrollen durch, nicht selten nutzen Kriminelle Verstecke in den Zügen um zum Beispiel Drogen zu transportieren“, so Schwartz weiter. Als der ICE den Flensburger Bahnhof in Richtung Süden verlassen hatte, begannen die Beamten systematisch mit ihrer Kontrolle. Sie gingen von Waggon zu Waggon und schauten wer sich im Zug aufhält. Auf die Frage, wen die Beamten kontrollieren und wen nicht, antworteten Solterbeck und Gehrmann das Gleiche: „Nasenfaktor, Bauchgefühl und vor allem der Erfahrungsschatz sind hier ausschlaggebend.“ Die Züge werden jedoch nicht nur nach auffälligen Personen durchsucht, auch führen die Beamten Hohlraumkontrollen durch und schauen nach alleinstehenden Gepäckstücken. Züge bieten diverse Möglichkeiten, um beispielsweise Drogen zu verstecken und so über größere Strecken zu transportieren.
Die Beamten kennen sie nahezu alle, die Verstecke innerhalb der Waggons. In der Mitte des Zuges führten die Beamten eine Kontrolle durch, die uns an diesem Tag noch stundenlang beschäftigen würde. Eine Familie, bestehend aus Mann, Frau und einem kleinen Mädchen weckte das Interesse der Beamten. Bei der anschließenden Personenkontrolle bestätigte sich ein erster Verdacht. Alle drei konnten keine gültigen Ausweisdokumente vorlegen. Die Reise aus dem dänischen Silkeborg mit Ziel Hamburg hatte in Schleswig ihr vorzeitiges Ende gefunden. Auf Englisch wurde der palästinensischen Familie, die wohnhaft in Syrien war, vermittelt, dass sie für eine erkennungsdienstliche Behandlung und Überprüfung des Aufenthaltsstatus mit nach Flensburg kommen musste. Über die Leitstelle, die ebenfalls in Flensburg untergebracht ist, wurde ein Fahrzeug zum Transport von Schleswig nach Flensburg angefordert. Im Zuge der weiteren Befragung konnten die drei noch Kopien von Pässen und syrische „Traveldokumente“ vorlegen. „Wir nehmen die drei jetzt mit nach Flensburg um sie erkennungsdienstlich zu behandeln und sie zu vernehmen“, erklärt Frank Solterbeck. „Wir müssen dann einen Richter informieren, der für die Dauer der Maßnahmen Gewahrsam anordnet, denn rein rechtlich ist dies eine Freiheitsentziehung, und die muss richterlich angeordnet werden“, so Solterbeck weiter. Auf der Dienststelle in Flensburg wurden Fingerabdrücke genommen um zu prüfen ob sie bereits anderswo schon einmal erkennungsdienstlich behandelt worden sind oder schon einmal einen Asylantrag gestellt haben. Auch wurden im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlungen Fotos angefertigt. Für die anschließende Befragung organisierte die Bundespolizei einen Dolmetscher. „Wir haben für nahezu jede Sprache einen oder mehrere geeignete Dolmetscher, die uns bei den Vernehmungen unterstützen“, berichtet Thomas Gehrmann.
Im Laufe der Vernehmung von Vater und Mutter kam heraus, welche Odyssee die drei bereits hinter sich hatten. Vermutlich, so ergaben die ersten Ermittlungen, sind die Frau und das Kind von Syrien bis nach Schweden geschleust worden um dort einen Asylantrag zu stellen. Als diesem nicht stattgegeben worden ist, reiste der Mann hinterher um seine Familie dort wieder abzuholen. Von Schweden sollte es dann über Dänemark nach Deutschland gehen. Für den Gesetzgeber liegt hier der Tatbestand einer unerlaubten Einreise und eines unerlaubten Aufenthaltes in Deutschland vor. Den Beamten sind somit die Hände gebunden, sie müssen im Rahmen ihrer dienstlichen Verpflichtungen handeln. Dennoch merkte man, dass ihnen das Schicksal dieser Familie bewusst ist und sie durchaus mitfühlen können, wie schwer und lang der Weg der drei ist, einen Platz zu finden, wo sie bleiben können um ein neues Leben zu beginnen. Der Mann gab an, dass er über Dubai nach Frankfurt und von Frankfurt nach Schweden gereist ist, möglicherweise mit einem Touristenvisum. „Hier besteht nun der Verdacht der Zweckentfremdung des Visums, somit auch der Verdacht einer Straftat, der Beihilfe zur unerlaubten Einreise“, so Thomas Gehrmann.
Während die Familie für weitere Befragungen auf der Dienststelle der Bundespolizei in Flensburg verblieb, ging es für „Schlotti und Gerry“ wieder auf die Straße. Einen Großteil ihrer Arbeit verbringen die beiden auf der Autobahn 7. Die wichtigste Nord-Süd-Route Deutschlands ist gleichzeitig auch bei Schleusern, Drogenkurieren und Diebesbanden ganz hoch im Kurs. In den ersten Monaten dieses Jahres konnte die Bundespolizei beispielsweise drei Transporte mit Fahrrädern, Baumaschinen und Elektrogeräten aufgreifen. Die Beamten entdeckten auf den Ladeflächen der Fahrzeuge über 600 Maschinen, Eigentumsnachweise konnten die Fahrer in keinem der Fälle vorlegen. Ermittlungen ergaben, dass der Großteil der Maschinen aus Einbrüchen in Dänemark stammt. Im Jahr 2013 haben die Beamten der Bundespolizeiinspektion Flensburg 21 Ein- und Ausschleusungen vereitelt, dabei konnten 28 Schleuser und fast 200 geschleuste Personen festgestellt werden. Die Anzahl der Personen, die sich unerlaubt in Deutschland aufhielten und aufgegriffen wurden, ist noch weitaus höher. Vier Tonnen der Kaudroge Khat und ein Kilogramm Kokain wurden 2013 sichergestellt. Festnahmen gab es im vergangenen Jahr 225. Den Streifenwagen der Bundespolizei postieren die beiden Beamten auf einem Grünstreifen an der Autobahnauffahrt Flensburg in Fahrtrichtung Norden. Bis zu 30 km von der dänischen Grenze weg, dürfen die Beamten sogenannte lagebildabhängige Kontrollen durchführen. Die Beamten dürfen dabei, anders als andere Behörden, das Fahrzeug komplett durchsuchen. Mit jahrelanger Erfahrung und geschultem Blick beobachten die beiden den fließenden Verkehr.
Nicht einmal eine Sekunde bleibt ihnen um den Blick auf bzw. in ein vorbeifahrendes Fahrzeug zu werfen. Nach rund einem Dutzend Fahrzeugen, die regelrecht an uns vorbeiflogen, war es ein italienischer PKW, der die Aufmerksamkeit der Beamten auf sich zog. „Schlotti und Gerry“ hängten sich an den PKW ran um zunächst das Kennzeichen über Funk durch die Leitstelle überprüfen zu lassen. „So erhalten wir erste Informationen, ob im Zusammenhang mit diesem Fahrzeug etwas vorliegt“, so Gehrmann. Auf dem Parkplatz Altholzkrug folgte dann die Kontrolle. Schnell stellte sich heraus, es waren alte Bekannte. Der Fahrer, ein Ägypter mit italienischem Führerschein und italienischem Aufenthaltstitel, chauffierte zwei Syrer, die keine Pässe vorweisen konnten. Die Männer gaben an, ihre Pässe in Flensburg bei der Polizei abholen zu wollen. Hintergrund dieser Geschichte ist die, dass die beiden Syrer erst vor wenigen Tagen aus Dänemark rücküberstellt worden sind. Sie waren unerlaubt nach Dänemark eingereist, dort von den Behörden aufgegriffen worden und nach Schengen-Recht in das Land zurücküberstellt worden, aus dem sie eingereist sind, in diesem Fall also Deutschland.
Die Pässe wurden einbehalten und sollten per Post an die Ausländerbehörde nach Neumünster gehen. Für die Beamten bestand nun zumindest der Verdacht, dass ein erneuter Versuch der Einreise nach Dänemark unternommen werden sollte. Dem ägyptischen Fahrer wurde zu verstehen gegeben, dass er dem Streifenwagen der Bundespolizei bis zur Station direkt an der dänischen Grenze folgen soll. „Die beiden Syrer haben eine Duldung für Deutschland, allerdings keine für Dänemark. Wir teilen ihnen nun eine Ausreiseuntersagung mit, sie dürfen Deutschland somit nicht in Richtung Dänemark verlassen“, erläutert Thomas Gehrmann das weitere Vorgehen. „Strafbar haben sich die drei noch nicht gemacht, da wir sie zwischen den Anschlussstellen Flensburg und Harrislee kontrolliert haben, und um ihnen den Ausreiseversuch nach Dänemark nachweisen zu können, reicht dies nicht, sie hätten die Autobahn an der Abfahrt Flensburg-Harrislee ja noch verlassen können“, so Gehrmann weiter.
Im Anschluss an diese Maßnahme ging es zurück auf die Autobahn. Das Prozedere ist nahezu immer das gleiche. Die Beamten postieren sich an einer Autobahnauffahrt und beobachten den fließenden Verkehr. Erscheint ihnen ein Fahrzeug verdächtig oder kontrollwürdig, so treten sie auf das Gas, schließen zu dem Fahrzeug auf, überprüfen das Kennzeichen über Funk und führen gegebenenfalls im Anschluss eine Kontrolle durch. Im Dienstgebäude der Bundespolizeiinspektion in Flensburg ist auch die Leitstelle untergebracht. 500-600 Funksprüche und Telefonate bearbeiten die Kollegen in der Leitstelle jeden Tag. 13 Beamte, die extra auf das System in der Leitstelle geschult sind, verrichten hier im Schichtbetrieb ihren Dienst. In einem Jahr fallen etwa 19.000 Einsätze an. Im Leitstellenraum laufen alle Fäden zusammen. „Die Beamten halten Funkkontakt zu den Fahrzeugen auf den Straßen, den Zugstreifen, den Leitstellen der Deutschen Bahn oder bearbeiten die Anrufe, die über die kostenlose Hotline der Bundespolizei eingehen“, erklärt Wolfgang Hartmann, der Chef der Leitstelle. Im Falle eines Notfalls werden von hier die Streifenwagen disponiert. Kommt es beispielsweise an der Nordseeküste zu einem Unfall mit einem Zug, so haben die Sachbearbeiter in der Leitstelle den Überblick, welche Einsatzkräfte in der Nähe sind und am schnellsten am Ort des Geschehens sein können.
Neben den anfallenden und nicht planbaren Einsätzen, sowie dem Streifendienst auf den Straßen und den Schienen im Land, widmet sich die Bundespolizei auch noch weiteren Aufgaben. Ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit ist auch die Prävention. In etlichen Veranstaltungen im Jahr erläutern Beamte der Bundespolizei beispielsweise Schulklassen die Gefahren, die der Bahnverkehr birgt. „Sicherheit am Bahnübergang“ ist ein wichtiges Thema. Die neuen und hochmodernen Triebwagen der Bahn hört man oftmals erst im letzten Moment, es ist also nicht nur dumm, bei geschlossenen Schranken oder rotem Licht noch über einen Bahnübergang zu huschen, sondern auch lebensgefährlich. Die Bundespolizei hat es sich zur Aufgabe gemacht, gerade in Schulen auf diese Gefahren hinzuweisen. Deutschlandweit kommt es jedes Jahr zu vielen Unfällen an Bahnübergängen und Gleisen, oftmals ausgelöst durch Leichtsinn und Unterschätzen der Gefahren. Was bringt es mir, wenn ich noch schnell über die Gleise renne um meinen Zug zu erreichen, dabei jedoch von eben diesem erfasst und schwer verletzt oder gar getötet werde? Viele dieser illegalen Gleisüberschreitungen stellt die Bundespolizei gerade auch bei Erwachsenen fest. Erwachsene, die eigentlich eine Vorbildfunktion ausüben sollen. Nicht nur über die Gefahren im Bahnverkehr wird präventiv informiert. Vandalismus und Sachbeschädigung sind Themen, die ebenfalls in Veranstaltungen vermittelt werden. Jedes Jahr entsteht der Bahn ein immenser Schaden an und in den Zügen im Streckennetz. Auch diese Problematik greift die Bundespolizei auf und vermittelt insbesondere wieder Schulklassen, welche Folgen es haben kann, wenn man Bahneigentum beschmutzt oder beschädigt. „Oft wird einem erzählt – ich bin doch erst 13 Jahre alt, was soll mir da groß passieren“, berichtet der Pressesprecher der Bundespolizei Hanspeter Schwartz, der selbst eben diese Präventionsveranstaltungen organisiert und durchführt. „Genau dies ist ein Irrtum, selbst wenn beim Verursacher im Moment der Tat nichts zu holen ist, die Deutsche Bahn wird einen gerichtlichen Titel erwirken und kann die Schadenssumme bis zu 30 Jahre nach der Tat noch einfordern“, berichtet Hanspeter Schwartz.
Mehr Informationen über die Bundespolizei finden Sie im Internet unter www.bundespolizei.de.
Telefonisch ist die Bundespolizei über die kostenlose Hotline 0800 6 888 000 erreichbar.